Lost in Translation: Wichtige Punkte bei M&A-Transaktionen in Europa und den USA

Nach zwei Jahrzehnten als Anwalt im Silicon Valley und fünf prägenden Jahren, in denen ich an grenzüberschreitenden Transaktionen in Europa gearbeitet habe, habe ich die subtilen (und weniger subtilen) Unterschiede in der Strukturierung von Fusionen und Übernahmen (M&A) auf beiden Seiten des Atlantiks schätzen gelernt. Für Käufer und Verkäufer auf den gegenüberliegenden Seiten dieser Kluft können diese Unterschiede den Unterschied zwischen einem reibungslosen Abschluss und einem Geschäft ausmachen, das in der Übersetzung verloren geht.
Im Folgenden betrachten wir die wichtigsten Unterschiede zwischen den Bedingungen für M&A-Transaktionen in den USA (Quelle: SRS Acquiom) und Europa (Quelle: CMS), persönliche Erkenntnisse aus der Praxis sowie praktische Tipps für Käufer und Verkäufer, die grenzüberschreitende Transaktionen strukturieren und durchführen möchten.

Die obige Infografik bietet einen umfassenden Überblick über die sechs wichtigsten Unterschiede zwischen den M&A-Praktiken auf dem US-amerikanischen und dem europäischen Markt. Diese Punkte veranschaulichen die grundlegenden strukturellen Unterschiede, mit denen sich Deal-Teams bei grenzüberschreitenden Transaktionen auseinandersetzen müssen.
1. Kaufpreisänderungen (PPA): Sicherheit vs. Flexibilität
In den USA sind PPAs fast überall üblich. Käufer erwarten, dass sie für Lücken im Betriebskapital, Fehlbeträge auf dem Bankkonto und alle nach dem Abschluss verbleibenden Schulden entschädigt werden. Das System läuft wie am Schnürchen, und die meisten Beteiligten wissen, wie es funktioniert.
In Europa sieht es anders aus. Zwar gewinnen PPAs zunehmend an Bedeutung (laut CMS sind sie in weniger als der Hälfte aller M&A-Transaktionen zu finden), doch basieren viele Transaktionen nach wie vor auf dem „Locked-Box”-Mechanismus, bei dem der Preis auf der Grundlage einer historischen Bilanz festgelegt wird und der Verkäufer garantiert, dass seit dem Bilanzstichtag kein Wertverlust eingetreten ist. Dieser Ansatz bietet Preissicherheit, erfordert jedoch Vertrauen und Sorgfalt.
US-Kunden, die Geschäfte in Europa tätigen, sollten offen für Lockbox-Strukturen sein, insbesondere bei Ausschreibungen. Europäische Kunden, die in den US-Markt eintreten, sollten sich auf detaillierte Anpassungen nach dem Abschluss und die damit verbundenen buchhalterischen Verrenkungen einstellen.
2. Earn-outs: Eine Geschichte zweier Kennzahlen
Earn-outs sind in beiden Märkten weit verbreitet und machen 33 % der US-Transaktionen und 25 % der europäischen Transaktionen aus. Ihre Struktur variiert jedoch stark. In den USA sind umsatzbasierte Earn-outs häufiger anzutreffen, während in Europa EBIT/EBITDA dominieren.
In den Bereichen Technologie und Gesundheitswesen, wo die zukünftige Performance oft spekulativ ist, können Earn-outs Bewertungslücken überbrücken. Sie sind jedoch auch ein Nährboden für Streitigkeiten.
Die klare Definition von Kennzahlen ist ebenso wichtig wie die Abstimmung von Anreizen und die Berücksichtigung der emotionalen Belastung durch Earn-out-Verhandlungen, insbesondere wenn die Gründer im Unternehmen bleiben.

Die obige Grafik quantifiziert die Verbreitung wichtiger M&A-Praktiken in beiden Märkten. Beachten Sie insbesondere den dramatischen Unterschied bei der Verwendung von MAC-Klauseln (98 % in den USA gegenüber nur 14 % in Europa) und das umgekehrte Verhältnis bei der Präferenz für Schiedsverfahren (17 % in den USA gegenüber 42 % in Europa). Diese statistischen Unterschiede unterstreichen, wie wichtig es ist, regionale Normen zu verstehen, wenn grenzüberschreitende Transaktionen strukturiert werden.
3. Haftungsbeschränkungen: Wie viel steht auf dem Spiel?
In den USA ist die Haftung des Verkäufers dank der weit verbreiteten Nutzung von Transaktionsversicherungen oder „Rep and Warranties“-Versicherungen (auch bekannt als „RWI“) häufig auf 10 % oder weniger des Kaufpreises begrenzt. In Europa sind die Obergrenzen höher, häufig zwischen 25 % und 50 %, obwohl RWI aufholt.
Europäische Verkäufer sind eher daran gewöhnt, Risiken zu tragen, während US-Verkäufer erwarten, diese zu verlagern. Dies kann zu Reibungen führen, daher ist es wichtig, die Erwartungen frühzeitig aufeinander abzustimmen.
Vereinigte Staaten | Europa | |
Vergleich der Haftungsbeschränkung
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Unterschiede im rechtlichen Rahmen
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Dieser interaktive Vergleich veranschaulicht die grundlegenden Unterschiede zwischen den Regionen hinsichtlich Haftungsansätzen und rechtlichen Rahmenbedingungen. Wechseln Sie zwischen den Registerkarten, um zu erkunden, wie sich diese Unterschiede auf die Strukturierung von Geschäften und Verhandlungen auswirken können. Die höheren Haftungsgrenzen in Europa (25–50 %) im Vergleich zu den USA (in der Regel 10 % oder weniger) spiegeln unterschiedliche Philosophien der Risikoverteilung wider, die bei grenzüberschreitenden Transaktionen in Einklang gebracht werden müssen.
4. MAC-Klauseln: In Europa selten, in den USA gang und gäbe
Klauseln über wesentliche nachteilige Veränderungen (Material Adverse Change, MAC) sind in den USA Standard und kommen bei 98 % aller Transaktionen zum Einsatz. Dahinter steht die Idee, dass das Unternehmen zwischen Vertragsunterzeichnung und Abschluss keine wesentliche nachteilige Veränderung erfahren hat und der Käufer im Falle einer solchen Veränderung nicht zum Abschluss verpflichtet ist. Manchmal wird formuliert, dass das Unternehmen seit dem Bilanzstichtag keine MAC erlitten hat. In Europa sind sie jedoch selten und kommen nur in 14 % der M&A-Transaktionen vor, wobei sie oft stark eingeschränkt sind.
Dies kann zu Überraschungen führen, wenn US-Käufer in einem europäischen Vertrag keine MAC-Klausel finden und europäische Verkäufer sich möglicherweise an der für US-Verträge typischen weit gefassten Formulierung stören.
5. Streitbeilegung: Gerichte vs. Schiedsgerichtsbarkeit
Bei der Streitbeilegung gehen die Meinungen stark auseinander. In den USA ist ein Gerichtsverfahren die Standardlösung, während nur bei 17 % der Transaktionen ein Schiedsverfahren zum Einsatz kommt. In Europa ist die Nutzung von Schiedsverfahren deutlich höher (42 % der Transaktionen im Jahr 2024), insbesondere bei grenzüberschreitenden Transaktionen.
Aber es gibt eine Besonderheit. 70 % der europäischen Schiedsklauseln wenden nationale und nicht internationale Vorschriften an. Das bedeutet, dass eine „Standard“-Schiedsklausel in Deutschland ganz anders aussehen kann als eine in Frankreich oder Großbritannien.
US-Kunden sollten auf Schiedsverfahren in Europa vorbereitet sein und die lokalen Vorschriften kennen. Europäische Kunden, die Geschäfte in den USA tätigen, sollten auf Gerichtsverfahren und die damit verbundenen Offenlegungsverfahren vorbereitet sein.
6. Transaktionsversicherung: Wachsend, aber noch nicht global
RWI, oder Transaktionsversicherung, ist ein echter Game-Changer. Sie erleichtert Verhandlungen, begrenzt die Haftung und beschleunigt den Abschluss von Geschäften. In den USA wird sie bei 38 % aller Transaktionen eingesetzt. In Europa liegt der Anteil bei 24 %, steigt jedoch rapide an, insbesondere in Großbritannien und Deutschland.
Ich habe erlebt, wie RWI-Versicherungen Geschäfte ermöglicht haben, die andernfalls aufgrund von Zusicherungen und Gewährleistungen, Entschädigungsgrenzen oder Treuhandmechanismen ins Stocken geraten wären. Aber es handelt sich dabei nicht um eine Wunderwaffe, sodass die Sorgfalt bei der Risikoprüfung nach wie vor wichtig ist.
Die Lücken schließen
Bei grenzüberschreitenden Fusionen und Übernahmen geht es nie nur um Zahlen. Es geht um Kultur, Erwartungen und Kommunikation. Ich habe schon erlebt, dass auf dem Papier äußerst kluge Geschäfte scheiterten, weil die Vertragsparteien die Normen des jeweils anderen nicht verstanden. Und ich habe erlebt, dass unwahrscheinliche Partnerschaften florierten, weil man sich die Zeit genommen hatte, diese Unterschiede zu überbrücken.
Egal, ob du ein US-Käufer bist, der ein europäisches KI-Startup im Auge hat, oder eine europäische Medizintechnik-Plattform, die ein US-Ziel im Visier hat – denk dran, dass es darauf ankommt, wo du bist, wenn du über „Markt“ redest. Wenn du dir nicht sicher bist, frag einfach jemanden, der schon auf beiden Seiten des Tisches gesessen hat.